Erwin Pelzig, 11. Mai 2002, Tollhaus, karlsruhe

Mit Worten stören

O.k. der Mann heisst gar nicht Erwin Pelzig, sondern in Wirklichkeit Frank-Markus Barwasser, aber seine Kunstfigur Erwin Pelzig bestreitet 90% des Programms und wird so überzeugend dargestellt, dass der Unterschied erst am Ende auffällt, als Barwasser seinen Filzhut abzieht und plötzlich ganz normal aussieht. So ungefähr muss das wohl auch bei Clark Kent sein, der, sich nur mit einer Brille getarnt, eine zweite Identität bastelt, die keiner durchschaut.

Zurück zu Erwin Pelzig: dieser will etwas tun und will auch dass andere etwas tun, aber es gibt immer nur Worte, statt Taten, und da nimmt er sich selbst nicht aus. Seinen Toningenieur lässt er brav die Worte zählen und sich immer wieder angeben. Klingt alles bisher nicht lustig? War es aber! Denn Pelzig kommentiert das aktuelle Geschehen, vom 11. September bis hin zum neuen Markt und dem Markt generell. Dabei überraschen seine mitunter genialen Vergleiche sowie sein Eingehen auf das Publikum, dass sich im Laufe des Programms nicht als plumpe Anmache, sondern als gezielter Baustein seines Programms erweist. So verteilt er in der ersten Hälfte Aktien an Pärchen, fragt diese beim Überreichen aus (Welches Auto?  Farbe der Badkacheln? Wie lange zusammen?  Wieso?) um diese Informationen in der zweiten Hälfte in seine Marktanalyse einzubauen. Und so findet  sich dann der von Pelzig als brav eingestufte  Familienvater, der mit Frau, Schwiegermutter und einem Freund in's Tollhaus kommt, zwangsläufig in der zweiten Hälfte am Haken von Obi wieder, denn irgendwann wird dieser aus der erdrückenden Harmonie ausbrechen und mit einer Kettensäge das Salzgebäcknamensschild oder Schlimmeres zersägen.
Saab Fahrer hingegen haben prinzipiell keine Kinder, da diese nur Tapser am Designerregal hinterlassen würden. Marktanalyse, wie sie leibt und lebt. Spass hat man daran natürlich vor allem dann, falls man selber nicht als Opfer von Pelzig ausgesucht wurde.

Und zwischendurch helfen Pelzig dann noch seine 2 Freunde, der überaus korrekte Dr. Goebel und der prollmässige Hartmut. Faszinierend wie in Sekundenbruchteilen von einer Rolle in die andere geschlüpft wird. Worte statt Taten ? Nun, so nach und nach werden aus Worten Taten, etwa wenn Pelzig, stolzer Besitzer von 52 Aktien von 52 Unternehmen zu 52 Jahreshauptversammlungen geht, damit die Mächtigen dieses Landes zumindest seine Worte und somit auch ihn zu Kenntnis nehmen. Besser immerhin, als beim Naturschutzbund "Fröschli zu schleppen". Auch an diesem Beispiel führt Pelzig in einem aberwitzigen Beispiel vor, dass niemals alle Menschen gut werden können. Denn schliesslich würden dann Armeen, Polizisten und Kontrolleure arbeitslos. Gut - sie könnten dann ebenfalls Fröschli schleppen so dass am Ende es 3 Gruppen auf der Welt gäbe: die eine Hälfte der Menschheit würde Fröschli züchten, die zweite Fröschli schleppen und als dritte Gruppe gäbe es dann die extrem genervten Fröschli.

Was dieser Mann in seinem 2 stündigen Programm alles bringt ist sensationell. Nicht umsonst hat er den diesjährigen Kabarettpreis gewonnen.

Fazit: Unbedingt mal ansehen!

© 05/2002 by Hans-Georg Krumm
URL: http://www.hgkrumm.de/concerts.html 

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