Heimspiel für Jürgen Zöller und seine Mitstreiter auf der
"Flucht nach vorn" Tour. Nach 50 Jahren im Rock 'n' Roll
Business im Angestelltenstatus, wie er in "Flucht nach vorn"
selbstironisch sagt, hat er endlich ein Album mit
selbstgeschriebenen und selbstgesungen Songs aufgenommen. Mit
dabei bei den Aufnahmen: Steffi Stephan, den man unter anderem
von Udo Lindenberg her kennt, Lyle Närvänen (Leningrad Cowboys),
Christoph Stein-Schneider (Fury in the Slaughterhouse) sowie
diverse Gäste. Bei der Tour auch mit dabei: Tony Carey, der als
Keyboarder in Ritchie Blackmores Band Rainbow bekannt wurde und
später mit Peter Maffay zusammen arbeitete.
Erste Überraschung im Tollhaus: der kleine Saal war fast
durchgehend bestuhlt. Zweite Überraschung: Christoph
Stein-Schneider war aus familiären Gründen leider verhindert.
Los ging es mit "Hallo Rock'n' Roll wir kommen", einem Song, der
Jürgen Zöllers erste musikalische Erfahrungen in einer Band
Anfang / Mitte der Sechziger Jahre beschreibt. Eigentlich ein
prima Song, um ein Rock Konzert zu eröffnen, wenn man nicht
direkt danach die Veranstaltung in eine Art Lesung verwandeln
würde. Jürgen Zöllers Album ist in Prinzip schon eine Vertonung
seiner Biographie "Jürgen Zöller selbst". Wer das Buch gelesen
hat, wird keine Mühe haben, die 14 Songs einzelnen Kapiteln
seines Lebens zuzuordnen. Warum nun gerade in der ersten Hälfte
des Konzerts der Inhalt jedes Songs recht ausführlich von Jürgen
Zöller erzählt wurde bleibt sein Geheimnis - ich fragte mich
dauernd, ob ich jetzt in einem Rock Konzert oder einem Vortrag
bin.
Jürgen Zöller am Schlagzeug sang natürlich die Songs des Albums
(13 von 14 wurden gespielt) - leider ist er bei der Gattung der
singenden Schlagzeuger eher ein Ringo Starr als ein Don Henley
oder Phil Collins. Was auf dem Album noch einen gewissen Charme
hat, war im Tollhaus leider nicht so schön anzuhören, da Jürgen
Zöllers Stimme vor allem bei den etwas lauteren Nummern kaum zu
hören geschweige denn zu verstehen war. Das außer Acht gelassen
war es natürlich ein Genuss diesen 4 Musikern zuzuhören und
zuzusehen, die mit sichtlich viel Spaß bei der Sache waren. Vor
allem Lyle Närvänen an den Gitarren gefiel mir ausnehmend gut,
auch wenn seine Gitarren extrem laut in den Vordergrund gemischt
wurde.
Mit erst einem Album am Start kann diese "Oldie-Newcomer" Band
natürlich kein ganzes Konzert füllen - von daher gab es
natürlich auch andere Songs und andere Sänger zu hören. Tony
Carey machte den Anfang mit "The Deal" bei dem er sich eine Art
Duell (Vocals vs. Gitarre) mit Lyle Närvänen lieferte (später
sollte natürlich noch "Room with a view" folgen), Steffi Stephan
brachte unter anderem die Lindenberg Nummer "Das kann ja man
auch mal so sehen" zum besten und eine Instrumentalnummer war
auch dabei: wie zu besten Leningrad Cowboys Zeiten ertönte der
"Sabre Dance".
Fazit: schönes Konzert mit leichten konzeptionellen und
klanglichen Schwächen - vielleicht war das Tollhaus auch
deswegen (Konzert? Vortrag?) bestuhlt. Meine Favoriten an diesem
Abend: "Nie wieder LSD", "The Deal" und der "Sabre Dance".