Unterhaltsame Demotivation
Nico Semsrott im Jubez! Inzwischen bekannt aus Funk und
Fernsehen, wie es früher immer so schön hieß, hätte er sicher
auch das Tollhaus ausverkauft, aber nein, er wählte das Jubez,
um sein Publikum so richtig zu demotivieren und vor allem
diejenigen zu enttäuschen, die keine Erwartungen an seinen
Auftritt hatten. Die (ohne Erwartungen) waren deutlich in
der Minderheit, das war klar, denn gleich am Anfang fragte Nico
Semsrott ab, wer ihn schon mal live gesehen habe (das waren
einige), wer ihn von YouTube oder aus dem Fernsehen kenne
(das waren deutlich mehr) oder wer, außer ihm, gezwungen worden
sei zum Auftritt zu kommen (das waren ein paar wenige).
Trotz des doch hohen Bekanntheitsgrades stellte er sich
zunächst mit seiner ersten Powerpointpräsentation vor:
Katastrophen scheinen seinen Lebensweg zu begleiten, so setzt
sich beispielsweise sein Geburtsdatum aus dem Jahr der
Tschernobyl Katastrophe und dem Tag/Monat der Fukushima
Katastrophe zusammen. Kein Wunder also, dass Nicos Figur so
richtig demotiviert rüberkommt. Damit das trotz der vielen
witzigen Momente so bleibt, hat sich Nico ein Bestrafungssystem
überlegt: für jedes unfreiwillige Schmunzeln, dass ihn aus
seiner Bühnenfigur fallen lässt, spende er, der Mitglied Der
Partei ist, 5€ der Jungen Union - schön sichtbar für das
Publikum, in dem er 5€ Scheine von seiner linken in seine rechte
Hosentasche wandern lässt.
Beschreibt er also zunächst sehr witzig sein Leben und seine
Lebenseinstellung (Vorbild: der Koala Bär) wird es dann recht
schnell politisch. Sein Lieblingsthema: wie soll man mit
Rassisten und der AfD umgehen? Zunächst ein mal mit Fakten, die
er mit seinen Powerpointpräsentationen witzig und anschaulich
erläutert: wie zum Beispiel mit dem Vergleich des deutschen
Pavianfelsen mit 80 Pavianen, der wegen einem zusätzlichen
Pavian völlig in Panik gerät, während der libanesische
Pavianfelsen mit nur 4 Pavianen 2 zusätzliche Paviane einfach so
aufnimmt. Zum Thema Umgang mit Rassisten und der AfD zeigt er
klare Kante und verweist beispielsweise auf das
Toleranzparadoxon, dass darin besteht, dass man wenn man als
toleranter Mensch Intoleranz toleriert, die Toleranz über kurz
oder lang abgeschafft wird.
Nico Semsrott zeichnet sicherlich aus, dass er beides kann:
politisches Kabarett auf neue Art und Weise aber auch einfach
Comedy wie den Hochzeitswahnsinn mancher Pärchen oder Parship
auf die Schippe zu nehmen.
Auch neu: als letzte Zugabe beantwortet er schlagfertig Fragen
des Publikums, wie zum Beispiel wie viele Kapuzenpullis er
eigentlich habe. Antwort 9, er ziehe aber immer denselben an.
Beim beantworten der Fragen fällt er dann zunehmend aus seiner
Rolle: das Geld ist dann irgendwann komplett in seiner rechten
Tasche - Zeit den unterhaltsamen Abend zu beenden.
Fazit: Hingehen, anhören, sich amüsieren, aber auch nachdenken
- so sollte Kabarett sein. Prima!