Niedecken und BAP erfinden sich gerade live neu
Das Konzert in Frankfurt war das erste Mal, dass ich BAP auf
ihrer 2018er Tour sehen und hören konnte. Eine weitere Premiere
für mich: die Jahrhunderthalle, die ich spontan zu meiner neuen
Lieblingskonzertlocation erklärte: sensationelle Architektur,
großzügig geplant und keine Mehrzweckhalle sondern ganz klar für
Konzerte konzipiert.
Während ich dem von Niedecken zusammengestellten Musikprogramm
zum Einlass lauschte (alle Songs haben irgendwie einen Bezug zu
den US Südstaaten) hatte ich schon mal die Zeit, das Bühnenbild
zu begutachten: eine rote Treppe führte auf ein großes Tor zu,
links und rechts vom Tor gab es einen Balkon mit typischen New
Orleans Geländer. Wie bei der Tour vor 2 Jahren hatte man sich
also wieder wirklich Mühe gegeben, den Fans auch optisch etwas
zu bieten.
Los ging es pünktlich um 20:00 Uhr: BAP plus Verstärkung
betraten die Bühne und legten mit "Drei Wünsch frei",
"Waschsalon" und "Psycho Rodeo" los und zeigten, in welche
Richtung es im weiteren Verlauf gehen würde. Bei der Verstärkung
handelte es sich um die Bläsersektion des Tauschkonzerts, also
Axel Müller, Christoph Moschberger und Johannes Goltz - das bot
natürlich einiges an Möglichkeiten: zum einen konnten Songs, die
auf den Alben schon mit Bläsern aufgenommen waren, life endlich
authentisch gespielt worden, wie zum Beispiel bei "Drei Wünsch
frei", das zwar auch auf der letzten Tour gespielt wurde, die
Bläser damals aber durch Keyboards imitiert wurden, zum anderen
konnte schon fast totgespielten Songs, wie "Waschsalon" neues
Leben eingehaucht werden. Wie Niedecken im Laufe des Konzerts
bemerkte, waren diese 3 Songs auch diejenigen, die er als erste
für eine Setliste für BAP plus Bläsersektion festlegte.
Frischer, neuer Sound also, der gleich von Anfang überzeugte,
und noch eine, wenn auch unfreiwillige Neuigkeit gab es zu
vermelden: da Bassist Werner Kopal "Rücken" hatte, wurde er
durch Marius Goldhammer ersetzt. Mit dieser Besetzung ging es
also durch über 40 Jahre Band Geschichte mit Ausflügen zu
Niedeckens aktuellem Soloalbum, visuell hervorragend unterstützt
durch Projektionen die dafür sorgten, dass erwähntes Tor mal als
Eingang zum Lebensmittelgeschäft von Niedeckens Eltern, mal als
Eingang eines "Vom Winde verweht"-Südstaaten-Anwesens wurde oder
einen zum Times Square nach NYC, nach New Orleans und wieder
zurück beamte.
Der Sound war hervorragend, sodass man trotz der der vielen
Musiker auf der Bühne die einzelnen Instrumente meist klar hören
konnte, auch wenn es hier und da Ulrich Rodes Gitarre es etwas
schwer hatte, sich "gegen" die Bläser durchzusetzen. Anne de
Wolf spielte an diesem Abend wie so oft gefühlt 20 verschiedene
Instrumenet vom Waschbrett über Cello, Gitarre und Posaune,
blieb aber gegenüber früheren Tourneen etwas im Hintergrund.
Sönke Reich an den Drums setzte starke Akzente ohne dass es in
ein 70er Jahre Schlagzeugsolo ausuferte, Marius Goldhammer
machte seine Sache hervorragend, wie auch "Honigöhrchen" Michael
Nass, der allerdings nicht nur optisch sondern auch
soundtechnisch diesmal etwas hinter der Bläsersektion
untertauchte.
Fast ohne längere Ansagen folgte also Song auf Song, zum
Durchschnaufen gab es wieder einen "Liebeslieder im Sitzen"
Block und es dauerte weit über 2 Stunden, bis die Band zum
ersten Mal die Bühne verließ, um für 2 Zugabenblöcke wieder zu
kommen. Meine Highlights an diesem Abend: "Psycho Rodeo" (ich
liebe diesen Song), "Bahnhofskino" und "Vision von Europa".
Fazit: Sehr schönes Konzert, das über 3 Stunden dauerte,
grandiose Stimmung im Publikum, super Sound und prima visuelle
Umsetzung des Ganzen. Durch die Bläsersektion haben sich BAP an
vielen Stellen live neu erfunden - ein Experiment, was gut
geklappt hat.Nur an einer Stelle hielt der Spannungsbogen nicht
so richtig: der "Jebootsdaachspogo" wirkte trotz neuem
Arrangement wie ein Fremdkörper.