Angry Young Man 2.0

Manchmal wird man von einem Konzert überaus positiv überrascht, wie zum Beispiel beim ersten Auftritt in Karlsruhe von Frank Turner aus Manchester. Zunächst dachte ich noch "denn scheint keiner zu kennen", da gegen 20 Uhr sich nur circa. 20 Leute im kleinen Saal des Jubez eingefunden hatte, aber während der sympathische Tobias Heiland, alias "Ghost of a Chance" quasi zum Einlass spielt, füllt sich das Jubez so sehr, dass man denkt, dass das Konzert doch besser im großen Saal aufgehoben gewesen wäre.

Die zweite große Überraschung: Frank Turner hat richtig viele Fans, die von Anfang an mitsingen. Und schnell ist klar: das ist kein Wunder: allein mit Gitarre, Charme und Humor "bewaffnet" hat Frank Turner das Publikum schnell im Griff. Als "Campfire Punkrocker" bezeichnet er sich augenzwinkernd und das trifft es auf den Punkt: eine starke Stimme, mit die er die Songs oft Punk-Rock gestählt manchmal eher schreit als singt, eingängige Songs, die schnell ins Ohr gehen plus eine Kombination aus Singer/Songwriter Qualitäten und Punk-Attitüde - so kommt er zumindest bei mir beim ersten Song rüber, der ein wenig nach den Pogues klingt.

Frank Turner bietet grandiose, abwechslungsreiche Songs mit manchmal lustigen manchmal klugen Texten, die thematisch irgendwo zwischen Pub-Besuch, Beziehungsdramen und Aufbruchstimmung verortet sind. Und manchmal sind auch skurrile Songs dabei, wie derjenige, der davon handelt, dass Frank Turner in ein Taxi steigt, das von Bob Dylan gefahren wird, der sich weigert, auch nur ein Wort mit seinem Fahrgast zu wechseln. Ähnlich witzig auch seine Ansagen, in denen er oft über die Entstehungsgeschichte seiner Songs erzählt.

Kommunikation mit dem Publikum ist ganz wichtig für Frank Turner und so wird im Laufe des Konzerts das Publikum immer miteinbezogen: mal wird eine weibliche Konzertbesucherin auf die Bühne gebeten, um ein Mundharmonikasolo zu spielen, dann unterweist Frank Turner das Publikum in die richtige Mitklatschtechnik um zu verhindern, dass aus dem Takt geklatscht wird und dann lässt Frank das Publikum sein Glaubensbekenntnis mitsingen: "I believe (in Rock 'n' Roll)" heißt das und bei der Ansage, in der er aufführt, welche seine musikalischen Helden sind, an die er glaubt, fallen für einen noch nicht mal 30 Jährigen auch Namen, die überraschen, wie etwa Elvis oder Bruce Springsteen. Und auch bei den Coverversionen, die er in sein Programm einstreut, taucht etwa ein Song von Loudon Wainright III, dem Vater von Rufus Wainright auf.

Schaut man mal auf Frank Turners Homepage vorbei, stellt man fest, dass er fast jeden Abend irgendwo auf der Welt live spielt. Trotzdem hatte man beim Konzert im Jubez das Gefühl, als wäre das eines der wichtigsten Konzerte seines Lebens, so viel Energie kam rüber. Ungefähr so muss der junge Bruce Springsteen, an dessen Charisma mich Frank Turner erinnert, in den Siebzigern seine immer größer werdende Fangemeinde rekrutiert haben. Und wenn Frank Turner so weiter macht wie bisher, kann man in ein paar Jahren, wenn er die großen Arenen dieser Welt füllt, stolz sagen, dass man in noch im kleinen Jubez in Karlsruhe gesehen hat. Das natürlich mit einem lachenden und einem weinenden Auge: man wünscht Frank Turner von ganzem Herzen den Erfolg, aber so nette Abende wie im Jubez wird man dann leider nicht mehr erleben können.

Ticket Frank turner, 29.09.2010, Jubez, Karlsruhe