Quo vadis, Fest?
Meine Festeindrücke
beschränken sich dieses mal auf den Freitag- und den Sonntag-
Abend. Kettcar aus Hamburg waren die erste Band, die ich beim Fest 2006
genießen konnte und diese hinterließen bei mir einen
zweischneidigen Eindruck. Musikalisch ideal für das Fest waren die
Songs, bei denen die Punk Vergangenheit durchschimmerte. Und auch
wunderschöne Balladen gab es, mit Texten, die wirklich
überzeugten, wie z.B. "Balou, der Bär". Auf der anderen Seite
gab es aber auch viel Leerlauf gepaart mit einer Understatement
Attitüde, die vielleicht durch die Hamburger Herkunft
erklärbar ist, manchmal aber nervt. Da spielen Kettcar auf einem
der größten Festivals in Deutschland und schaffen es
tatsächlich, den Hügel zu einer Welle zu animieren, um dann
kurz darauf alles wieder mit einer Art "wir sind doch keine Popstars
wie DJ Ötzi" Ansage zu relativieren, statt sich einfach
darüber zu freuen. OK, vielleicht ist es einfach wirklich die
norddeutsche Art sich zu freuen, die hier in Süddeutschland wie
ein Fremdkörper wirkt, konnte man doch hinterher lesen, dass die
Hamburger sich sehr über den Auftritt freuten und gerne
wiederkommen möchten. Schwamm drüber: Kettcar bekommen bei
mir eine 2. Chance.
Nach Kettcar kamen dann New Model Army, eine Band, auf die ich sehr
gespannt war, weil die in den 80igern komplett an mir vorbeiliefen. Den
Namen kenne ich wohl, allein - ich kann auf Anhieb keinen einzigen Song
von ihnen nennen, mit einer Ausnahme, nämlich "51st State of
America" und den auch nur, weil exakt vor 2 Jahren "Wir sind Helden"
diesen Song auf dem Fest 2004 coverten. Zunächst große
Freude, denn genau wie letztes Jahr gelang es mir, einen Platz im
vorderen abgesperrten Bereich zu ergattern, einen Bereich, den ich vom
letzten jahr her in guter Erinnerung hatte, da Zugangskontollen
dafür sorgten, dass die Anzahl der Besucher unmittelbar vor der
Bühne nicht zu groß wurde. Und so konnte ich die ersten 4-5
Songs auch durchaus genießen: ein paar Reihen vor mir wurde Pogo
getanzt, um mich rum New Model Army Fans, die sich tierisch über
die Show freuten. Bis, ja bis es immer voller und voller wurde und die
Idioten kamen. Jene, immer in Rudeln auftretenden Deppen, die sich
händchenhaltend ohne Rücksicht auf Verluste zu Beginn eines
Konzerts von der letzten in die erste Reihe durchtanken müssen und
für die "Rücksicht" ein Fremdwort ist.
Zugangskontrollen gab es Freitag abend wohl nicht, die Pogo-Welle
schwappte immer mehr nach hinten, es wurde immer voller und
unangenehmer sodass ich die Flucht nach draußen antrat. Dort war
es zwar entspannter, aber auch deutlich leiser was die Musik betraf,
sodaß leider meine Begeisterung für New Model Army deutlich
nachließ.
Nachdem ich glücklicherweise beschlossen hatte, den Samstag nicht
auf dem Fest zuverbringen und somit das Novum verpasst hatte, dass zum
ersten Mal in der Fest-Geschichte die Eingänge wegen
Überfüllung zeitweise geschlossen werden mussten, ging's am
Sonntag zum Festabschluß zu Skin. Sonntag ging es dann doch
deutlich gesitteter zu als am Freitag bzw. Samstag. Auf die ehemalige
Frontfrau von "Skunk Anansie" mit blutjunger Band schien aber auch am
Sonntag die Festatmoshäre wie eine Übderdosis Aufputschmittel
zu wirken. 3 Punk Songs hintereinander, wobei Skins normalerweise
geniale Stimme im Overdrive Modus eher piepsend daher kam, ließen
Schlimmes erahnen, aber dann wurde einem noch ein richtig gutes Konzert
geboten. Nach besagten 3 Eröffnungsstücken wurde ein Gang
runter geschaltet und gerade bei den etwas langsameren Titeln klappte
dann alles. Wobei es Skin eigentlich egal war, ob es ein langsames oder
schnelles Stück war: die Frau ist auf der Bühne ein Derwisch,
der nicht zu bremsen ist. Höhepunkt natürlich eine
wunderschöne Akustik Version von "Hedonism". Auch auf Skin und die
Band hinterließ das Festpublikum und natürlich vor allem der
Hügel deutlich Eindruck und so verabschiedete sich Skin leider
relativ schnell nach noch nicht einmal einer Stunde mit einem "you're
the best audience in Germany ever" um dann noch einmal für ein
paar Zugaben herauszukommen. Und zum Abschluß gab es dann noch
tatsächlich einen Stage-Dive von Skin.
Fazit insgesamt: klar, die für mich persönlich schönste
Festzeit Mitte der 90iger, als zwar schon bekannte Bands da waren, aber
man an allen 3 Tagen zu jedem Zeitpunkt noch einen guten Platz
ergattern konnte, um Musik zu erleben, wird nicht wiederkommen.
Und wahrscheinlich ist es auch gewollt, neben den 2 ursprünglichen
Eckpfeilern Musik und Kinderspielaktionen weitere Attraktionen
anzubieten. Allerdings wird die Musik nach und nach dadurch immer mehr
zu Nebensache und gleichzeitig wird es voller und voller. Die zeitweise
Schließung der Eingänge sind ein Warnzeichen. Keine Ahnung,
was man ändern sollte, allerdings befürchte ich, dass es
immer schwerer wird, das Konzept, ein friedliches Fest für alle
Generationen anzubieten, umzusetzen.
Hier noch 2 Links:
Die inoffizielle Homepage von "Das
Fest": http://www.das-fest-karlsruhe.de/
Die offizielle Homepage von "Das Fest": http://www.dasfest-karlsruhe.de
©
07/2006 by
Hans-Georg Krumm
URL:
http://www.hgkrumm.de/das_fest_28-30_07_06.html
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