Perspektivwechsel
Erwin Pelzig bleibt sich aus in seinem neuen Programm "Weg von
hier" treu: die Mischung aus Solokabarett, bei dem Erwin Pelzig
seine Schwierigkeiten mit der heutigen Zeit thematisiert, und
sein "Stammtischkabarett", bei der er gleich in 3 Rollen
schlüpft, nämlich den prolligen Hartmut, den konservative Dr.
Göbel und in Erwin Pelzig selbst, begeisterte 3 Stunden lang das
Publikum im ausverkauften großen Tollhaus.
Doch zunächst stellt er mal klar, was er nicht machen möchte:
sich auf Kosten einfacher "Gegner", wie den amerikanischen
Präsidenten, billige Pointen zu erschleichen, oder über
bestimmte Parteien zu sprechen, wie die SPD, den das könnte als
Störung der Totenruhe strafrechtlich verfolgt werden. Viel mehr
stellt er auf humorvolle Art die heutige schnelllebige Zeit und
die Angst vor dem technologischen Wandel in einen historischen
Kontext und vergleicht die heutige Zeit mit dem Zeitalter der
Romantik: damals wie heute herrschte Angst vor dem Wandel, der
um sich greift, aber während damals romantische Gedichte und
Lyrik die Folge waren, sind es heute Hasstiraden in den sozialen
Netzwerken.
Und in der Folge nimmt sich Erwin Pelzig in einer unglaublichen
Geschwindigkeit Themen wie Enteignungen, Pflege- und
Sexrobotern, selbstfahrenden Autos, den sozialen Netzwerken und
natürlich der Politik an. Oft bedient er sich dabei der Walt
Disney Methode und setzt sich nacheinander auf 3 Stühle: dem des
Träumers, der sich eine Vision ausdenkt, bei der alles
gedanklich erlaubt ist, dann dem des Kritikers, der die Vision
kritisch hinterfragt und zerpflückt und dann dem des Realisten,
der aus den 2 anderen Rollen das Wesentliche extrahiert. Sehr
witzig, was dabei herauskommt.
Ein Perspektivwechsel der anderen Art ist Pelzigs Fähigkeit,
komplexe Themen in Analogien begreifbar zu machen, wie beim
nicht funktionierenden Drucker und den "Lösungen" der Parteien,
die von "kein bayerischer Drucker, da das Kruzifix fehlt - wir
sind nicht zuständig" der CSU über "Du schaffst das" der CDU bis
hin zu Vorschlägen populistischer Parteien, den Drucker durch
das geschlossene Fenster zu werfen, reichte. Resultat: der Wut
wurde Bahn gebrochen, aber neben dem kaputten Drucker hat man
jetzt noch ein kaputtes Fenster.
Und so gehen die 3 Stunden
(inklusive Pause) wie im Flug vorbei. Verglichen zu meinem
letzten Besuch einer Pelzig
Veranstaltung 2012 gab es diesmal weniger Interaktion mit
dem Publikum und die, die es gab, ging dann charmant daneben.
Pelzig sprach eine Zuschauerin als "Digital Native" an, also
jemand, der nach 1990 geboren wurde und mit dem Internet
aufgewachsen ist, im Vergleich zu ihm, dem "Digital Migrant",
der das alles erlernen musste. In den Kommunikation mit der
Besucherin stellte sich dann aber heraus, dass diese 1970
geboren wurde!
Zum Ende gab es dann nach all
den doch schwierigen Themen wie Flüchtlingskrise, Wutbürger und
Hass dann noch einen positiven Ausblick: er, Pelzig, freue sich
auf die autonom fahrenden Autos. Aber nicht etwa, weil er dann
sich selbst in so ein Teil herein setzen wolle, sondern weil der
dann, dank der defensiven Programmierung der selbstfahrenden
Autos, er mit seinem VW Jetta mit 54 PS, einem Auto also mit
"überschaubaren Überholperstige", endlich diese selbstfahrenden
Autos vor sich hertreiben und schneiden könne.