Reichlich Seelenproviant: BAP in der Schwarzwaldhalle
Nach dem großen
Geburtstagsfest im März in Köln und den Open Airs im
Sommer ist nun der Hallentournee-Teil der aktuellen
"Schließlich Unendlich" Tour angebrochen mit Stopp in der
Schwarzwaldhalle in Karlsruhe. Ursprünglich sollte die Tour
natürlich zum "aktuellen" Album "Alles fließt" 2020 stattfinden,
was aus den bekannten Gründen nicht klappte. Zwischenzeitlich
gab es für die Tour den Arbeitstitel "tba / tbc" (to be
announced / to be confirmed) samt T-Shirts(!), nun 2022 findet
die Tour endlich statt, sehr zur Freude der vielen Besucher in
der sehr gut gefüllten und bestuhlten Schwarzwaldhalle.
Lange hielt es das Publikum aber nicht auf den Stühlen: schon
beim ersten Song "Hück ess sing Band en der Stadt" gefolgt vom
"Wahnsinn / Waschsalon" Medley standen die meisten, wenn auch
sehr geordnet, wie Wolfgang Niedecken schmunzelnd bemerkte.
Gegenüber den bisherigen Auftritten wurde die Setlist leicht
verändert - dies war seit langem mein erstes BAP Konzert ohne
"Jraaduss" und "Wellenreiter", dafür wurde der 40 Jahre alte
Song "10. Juni" seit Ewigkeiten mal wieder gespielt. Durchaus
aus aktuellem Anlass, denn die flüchtenden russischen Männer,
die versuchen Putins Teilmobilmachung zu entkommen, erinnerte
Niedecken an die Aussage im Refrain, dass man sich persönlich
nicht für kriegerische Auseinandersetzungen einplanen lasse.
BAP Konzerte waren ja immer nicht nur die große Rock-Party,
sondern immer auch mit politischen Anliegen verbunden, sei es
durch die Songs, oder auch die Ansagen, bei denen Niedecken
seine Sorge um die Demokratie in Europa (Italien, Ungarn, Polen)
ausdrückt und zur Wachsamkeit gegen Populisten aufruft. Dies
natürlich auch in Songs wie beispielsweise "Ruhe vor'm Sturm",
"Jeisterfahrer" und klar "Kristallnaach".
Mutlos hinterlässt einen Niedecken dabei aber nicht, dafür gab
es reichlich Tipps, sich einen Seelenproviant anzulegen ("Volle
Kraft voraus"), einfache Erkenntnisse, die man sich immer wieder
vor Augen halten sollte ("Hauptgewinn") oder einfach mitreisende
Musik wie in "Aff un zo".
3 Stunden ging es so durch über 40 Jahre Bandgeschichte und
natürlich gab es auch wieder den beliebte "Liedeslieder im
Sitzen" Block mit Liebeslieber für Niedeckens Frau und auch für
eine seiner Töchter ("Mittlerweile Josephine") bei denen
plötzlich der ausgebüchste Hund von Niedecken auf der Bühne
erschien und sich seelenruhig neben Niedeckens Stuhl niederließ.
Einziges Manko an diesem Abend in meinen Augen (bzw. Ohren) war
der Sound. Klar, die Schwarzwaldhalle ist nun gerade nicht für
seine gute Akustik berühmt, aber teilweise lag es auch an den
Arrangements mancher Songs. Keine Frage, die 3 köpfige
Bläsersektion ist vor allem live großartig, aber oft gehen dann
sowohl Ulrichs Rode Gitarre als auch Niedeckens Stimme etwas
unter. Vor allem bei "10. Juni" fiel mir das auf. Ich war
gespannt, wie Ulrich Rode eines von Majors Trademaek Riffs, das
diesen Song trägt, interpretieren würde, aber leider war die
Gitarre kaum zu hören.
Highlights für mich waren an diesem Abend mal wieder "Jupp" mit
Suoer Gitarren Intro von Ulrich Rode und einem klasse
Schlagzeugsolo von Drummer Sönke Reich und, das Byrds Cover
"Rock 'n' Roll Star", "Ruhe vorm Sturm" sowie das Medley aus
Dylans "Hurricane" und "Stell dir vüür" mit einem klasse
Geigensolo von Multitalent Anne de Wolf, die Niedecken ja in
Karlsruhe kennengelernt hat, genauer gesagt bei einem Konzert
mit unter anderem den Greedy Bunch in der dm-Arena 2005.
Zu den Zugaben hielt es dann das Publikum dann nicht mehr artig
zwischen den Stuhlreihen - die Lücke zwischen 1. Reihe und Bühne
wurde schnell voll um, klar, bei "Verdamp lang her" so richtig
zu feiern.
Mit "Wenn ahm Ende des Tages" ging dann das Konzert zu Ende und
man hatte das Gefühl, dass nicht nur das Publikum, sondern auch
die Band restlos begeistert waren.