Aufbauarbeit für die Kultur - das Tollhaus wagt den Neustart
Genau 10 Jahre, nachdem das Tollhaus die Eröffnung
des großen Tollhaus-Saals unter dem Motto "Neustart"
gefeiert hat, nun also ein erneuter "Neustart" nach dem Corona
bedingten Lockdown, der immerhin mehr als 3 Monate gedauert hat.
Aber es ist unter den aktuellen Bedingungen ein sehr kleiner
Neustart - statt rauschendem Jubiläumsfest dürfen nur jeweils 99
Besucher zu den zwei einstündigen, identischen Neustart
Veranstaltungen in den großen Saal, der für 850 - 1200 Besucher
ausgelegt ist. Alles natürlich unter Corona Bedingungen:
Händedesinfektion, Abstand der Besucher, Maskenpflicht im
Gebäude (außer am Platz) und viel Frisch- und Zug Luft durch die
aufgeklappte Seitenwand.
3 Künstler, die vor 10 Jahren bei der Eröffnung dabei waren,
haben auch diesmal den Weg ins Tollhaus gefunden. Den Anfang
machte Servais Haasen, der eigentlich mit 5 weiteren Musikern
eine Akkordeonale Tour mit Auftritt im Tollhaus und 34 weiteren
Orten geplant hatte und dem nun die finanzielle Grundlage
weggebrochen ist, wie soviel anderen Künstlern und ihrem Umfeld
auch. 3 Lieder bot der sympathische Holländer dar - schade, dass
sie alle sehr traurig klangen und so nicht nach Aufbruch und
Neustart klangen, sondern eher die aktuelle traurige Situation
der Kulturszene akustisch bebilderten. Schön aber, dass viele
der Tollhaus Besucher die Tickets für das ausgefallene Konzert
gespendet haben und so konnte Bernd Belschner vom Tollhaus einen
Scheck über mehr als 1200 € an Servais Haasen überreichen.
Als weiterer Künstler, der auch vor 10 Jahren dabei war, trat
danach Stoppok Solo auf, dem es durch Klassiker, wie den
"Spezialistenblues" und neuen Songs vom aktuellen Album "Jubel",
wie "Mal dein Herz an", gelang, das Publikum zum Mitschnippen
und Mitklatschen zu bewegen (Tanzen und Singen war ausdrücklich
verboten). Und Stoppoks Ansagen trugen auch dazu bei, dem Abend
den Schwermut zu nehmen - klappte etwas nicht, meinte er
lakonisch, dass die Kultur halt erst wieder aufgebaut werden
müsse. Amüsiert hat Stoppok natürlich auch die Tatsache, dass
der Saal nach seinem Auftritt im ersten Slot um 19 Uhr für den
zweiten Slot desinfiziert werden muss. Als Publikum würde ihm
das zu denken geben :)
Natürlich war Stoppoks Auftritt viel zu kurz, aber er blieb ja
in Karlsruhe, um am folgenden Tag zwei einstündige Konzerte im
Tollhaus unter gleichen Bedingungen zu geben.
Und zum Abschluss spielte dann "Äl Jawalla", eine Band aus
Freiburg, die es noch schwieriger hat, denn ihre Art von Musik
ist nun wirklich nicht für sitzendes Publikum gemacht. Mit ihrer
Mischung aus Balkan Beats, Dancehall und Crossover (laut
Wikipedia) die für stehendes, beziehungsweise tanzendes Publikum
gemacht ist, ist ein möglicher Zeitpunkt für "reguläre" Konzerte
leider überhaupt nicht abzusehen. Man merkte ihnen aber an,
wieviel Spaß es ihnen machte, überhaupt mal wieder live
aufzutreten und dies sogar doppelt "zweimal": einmal, da dei
Neustart Veranstaltung ja sowohl um 19 Uhr, als auch um 21 Uhr
stattfand und zum anderen, da ihr Auftritt um 19 Uhr live nach
Kanada gestreamt wurde, als digitaler Ersatz für einen Festival
Auftritt, der stattfinden hätte sollen.
Fazit: großes Lob an das Tollhaus und die teilnehmenden
Künstler, den Neustart unter diesen schwierigen Bedingungen zu
wagen. Man ist dankbar, nach all den Monaten, die man vielleicht
höchstens mit einem Autokinokonzert
überbrückt hat, mal wieder Live Musik erleben zu dürfen,
auch wenn man weiß, dass sich dies finanziell für alle
Beteiligten nicht rechnen kann.